
Wissenschaftler entdecken 5 Gehirnphasen und 4 kritische Wendepunkte – in welcher Phase befindet sich das Gehirn?
Das Gehirn altert nicht linear – und genau darin liegt seine Stärke
Warum fällt das Erlernen neuer Sprachen in jungen Jahren scheinbar leichter, während es später mehr Anstrengung erfordert? Und weshalb bleiben manche Menschen bis ins hohe Alter geistig außergewöhnlich fit, während andere früher Einschränkungen erleben?
Aktuelle neurowissenschaftliche Forschung liefert darauf eine überraschende Antwort: Das menschliche Gehirn altert nicht gleichmäßig. Stattdessen entwickelt es sich in klar unterscheidbaren Phasen mit markanten Wendepunkten.
Eine im Dezember 2024 in Nature Communications veröffentlichte Studie der University of Cambridge zeigt, dass das Gehirn im Laufe des Lebens fünf charakteristische Entwicklungsphasen durchläuft, getrennt durch vier kritische Übergänge bei etwa 9, 32, 66 und 83 Jahren.
Dieser Beitrag ordnet die wissenschaftlichen Erkenntnisse ein und zeigt, warum sie für die langfristige Gehirngesundheit von Bedeutung sind.
Die Forschung: Wie fünf Gehirnphasen identifiziert wurden
Für die Studie analysierten Forschende Gehirnscans von fast 4.000 Personen im Alter von der Geburt bis etwa 90 Jahre. Im Fokus standen zwei zentrale neurobiologische Parameter:
- Myelin: eine fetthaltige Isolierschicht um Nervenfasern, die die Geschwindigkeit neuronaler Signale bestimmt
- Wasserbewegung entlang der Nervenfasern: ein Indikator für die Effizienz der Kommunikation zwischen Gehirnregionen
Durch die Auswertung dieser Daten über mehrere Lebensjahrzehnte hinweg konnten Veränderungen in der Struktur und Vernetzung des Gehirns präzise kartiert werden.
„Zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Leben wird vom Gehirn erwartet, dass es unterschiedliche Aufgaben erfüllt“, erklärt Alexa Mousley, Hauptautorin der Studie an der University of Cambridge.
Die fünf Phasen des Gehirns und ihre Wendepunkte
Phase 1: Geburt bis etwa 9 Jahre – Neuorganisation und Selektion
In den ersten Lebensjahren findet eine intensive strukturelle Umgestaltung statt. Dabei nimmt die Anzahl der Synapsen deutlich ab, während gezielt jene Verbindungen gestärkt werden, die häufig genutzt werden. Dieser Vorgang wird als synaptisches Beschneiden bezeichnet.
Bildlich gesprochen gleicht dieser Prozess einem Gärtner, der einen zunächst überwucherten Garten pflegt: Überflüssige Triebe werden entfernt, damit die wichtigsten Pflanzen mehr Licht, Raum und Nährstoffe erhalten. Auf diese Weise entstehen stabile, effiziente neuronale Netzwerke.
Dieser Umbau wird in der Forschung unter anderem mit neuroentwicklungsbezogenen Störungen in Verbindung gebracht, auch wenn kausale Zusammenhänge bislang nicht abschließend geklärt sind.
Wendepunkt 1: etwa 9 Jahre
Der Übergang von grundlegender Umstrukturierung zu effizienter Organisation.
Phase 2: Adoleszenz bis etwa 32 Jahre – Maximale Effizienz
Entgegen gängiger Annahmen endet die neurologische Adoleszenz nicht im Teenageralter, sondern erst im frühen Erwachsenenalter.
In dieser Phase erreicht das Gehirn seine höchste Effizienz. Die Vernetzung folgt zunehmend den kürzesten und effektivsten Kommunikationswegen.
Anschaulich lässt sich diese Phase mit einem perfekt geplanten Straßennetz vergleichen: direkte Verbindungen, kaum Umwege und ein reibungsloser Informationsfluss zwischen allen wichtigen Knotenpunkten. Die Vernetzung folgt zunehmend den kürzesten und effektivsten Kommunikationswegen. Die weiße Substanz entwickelt sich weiter, wodurch Informationsverarbeitung besonders schnell und präzise erfolgt.
„Spätere Phasen sind nicht schlechter – sie erfüllen lediglich andere Funktionen“, betont Mousley.
Die außergewöhnlich lange Adoleszenz des Menschen im Vergleich zu anderen Säugetieren gilt als Grundlage für komplexes Denken, Kreativität und Anpassungsfähigkeit.
Wendepunkt 2: etwa 32 Jahre
Das Ende der maximalen Effizienz und Beginn einer stabilen Phase.
Phase 3: Erwachsenenalter von etwa 32 bis 66 Jahre – Stabilität und Konstanz
Diese Lebensphase ist durch bemerkenswerte strukturelle Stabilität gekennzeichnet. Größere Umbauprozesse bleiben aus, die neuronalen Netzwerke funktionieren konstant.
Auch Persönlichkeit und kognitive Leistungsfähigkeit zeigen in dieser Zeit vergleichsweise geringe Veränderungen. Aus präventivmedizinischer Sicht gilt diese Phase als besonders relevant, da langfristige Lebensstilfaktoren hier nachhaltige Auswirkungen entfalten können.
Wendepunkt 3: etwa 66 Jahre
Der Beginn neuer struktureller Anpassungen.
Phase 4: Frühes Altern von etwa 66 bis 83 Jahre – Neuorganisation der Vernetzung
Ab dem späten sechsten Lebensjahrzehnt verändert sich die Struktur der weißen Substanz deutlicher. Die neuronale Vernetzung ordnet sich teilweise neu und wird stärker in kleinere funktionale Einheiten gegliedert. Die Kommunikation verlagert sich zunehmend auf kleinere, stärker vernetzte Teilnetzwerke.
„Die Aufteilung in kleinere, lokal stark verbundene Gruppen nimmt zu“, beschreibt Mousley.
Diese Veränderungen stehen in Zusammenhang mit altersassoziierten Erkrankungen wie Bluthochdruck und neurodegenerativen Prozessen.
Wendepunkt 4: etwa 83 Jahre
Zunehmende Fragmentierung der neuronalen Kommunikation.
Phase 5: Spätes Altern ab etwa 83 Jahre – Anpassung an begrenzte Ressourcen
In der letzten Phase nimmt die globale Konnektivität weiter ab. Bestimmte Schlüsselregionen übernehmen eine zentrale Rolle bei der Informationsverarbeitung.
Mousley vergleicht diesen Zustand mit einem öffentlichen Verkehrsnetz: Einige direkte Buslinien entfallen, sodass Wege, die früher ohne Umsteigen möglich waren, nun mehrere Stationen erfordern.
Kognitive Prozesse wie Gedächtnisabruf und Reaktionsgeschwindigkeit können sich verlangsamen, wobei individuelle Unterschiede weiterhin groß bleiben.
Warum diese Wendepunkte erst jetzt sichtbar wurden
Dass diese fünf Phasen und vier Wendepunkte erst kürzlich identifiziert wurden, liegt vor allem an methodischen Grenzen früherer Studien. Viele Arbeiten betrachteten lediglich einzelne Altersgruppen oder verglichen junge mit älteren Menschen, ohne die gesamte Lebensspanne abzubilden.
Die Studie der University of Cambridge wählte einen anderen Ansatz. Statt Momentaufnahmen analysierten die Forschenden kontinuierliche Veränderungen der Gehirnvernetzung über mehrere Jahrzehnte hinweg. Entscheidend war dabei die netzwerkbasierte Auswertung, die nicht einzelne Hirnregionen, sondern deren Zusammenarbeit betrachtete.
Erst diese ganzheitliche Analyse machte es möglich, statistisch signifikante Übergänge zwischen stabilen und reorganisierten Netzwerkzuständen zu erkennen. Die Wendepunkte markieren daher keine abrupten Ereignisse, sondern klar identifizierbare strukturelle Verschiebungen im Verlauf der Gehirnalterung.
Bedeutung der Wendepunkte für die Gehirngesundheit
Keine starren Altersgrenzen
Die genannten Altersangaben beruhen auf statistischen Mittelwerten. Individuelle Faktoren wie Genetik, Bildung, Ernährung, Bewegung und soziale Einbindung beeinflussen den tatsächlichen Verlauf erheblich.
„In der Medizin ist der Durchschnitt selten der richtige Maßstab für Einzelpersonen“, erklärt der Neurowissenschaftler Richard Betzel von der University of Minnesota.
Prävention über die gesamte Lebensspanne
Die identifizierten Phasen verdeutlichen, dass es in jedem Lebensabschnitt sinnvolle Ansatzpunkte zur Unterstützung der Gehirngesundheit gibt – von früher Stimulation über lebenslanges Lernen bis hin zu Bewegung und sozialer Aktivität im höheren Alter.
Ernährung als unterstützender Faktor
Auch wenn die Studie selbst keine Ernährungsempfehlungen ausspricht, zeigen zahlreiche weitere Forschungsarbeiten, dass eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Proteinzufuhr, Ballaststoffen, gesunden Fetten und antioxidativ wirksamen Pflanzenstoffen einen wichtigen Beitrag zur Gehirngesundheit leisten kann.
Dieser wissenschaftliche Ansatz steht im Einklang mit der Philosophie von UNE Foods, funktionelle Ernährung ganzheitlich zu denken – als Unterstützung für Stoffwechsel, Darm-Hirn-Achse und langfristige Vitalität.
Fazit: Ein dynamisches Organ über die gesamte Lebensspanne
Die Einteilung des Gehirns in fünf Phasen mit vier Wendepunkten verdeutlicht, dass neuronale Entwicklung und Anpassung ein lebenslanger Prozess sind.
Jede Phase bringt eigene Stärken und Herausforderungen mit sich. Ein besseres Verständnis dieser Veränderungen kann dazu beitragen, realistische Erwartungen zu entwickeln und präventive Maßnahmen gezielt einzuordnen.
Das Gehirn bleibt formbar, zwar nicht unbegrenzt, aber länger als lange angenommen.
Egal in welcher Phase man sich befindet; es ist nie zu früh und nie zu spät, auf unser Gehirn zu achten. 💚
Quellen:
Mousley A et al. Lifespan trajectories of the human connectome. Nature Communications 2024.
University of Cambridge. Pressemitteilung zur Studie Dezember 2024.
Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzt keine medizinische oder therapeutische Beratung. Bei gesundheitlichen Fragen sollte qualifiziertes Fachpersonal konsultiert werden.
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